Konditorei erteilt Hausverbot für den Blindenhund

Artikel vom 14.03.2013 - 19.25 Uhr

Konditorei erteilt Hausverbot für den Blindenhund

 

Friedberg (jw). »Hunde müssen draußen bleiben.« Dieses Schild liest man an Bäckereien, Metzgereien oder Cafés. Doch gilt das auch für Blindenhunde? Nein, weiß Anette Lürding. Die blinde Sozialpädagogin wollte am Montag mit ihrem Blindenführhund Monty eine Friedberger Konditorei besuchen. Natürlich mit Hund, auf den sie angewiesen ist. Der Konditoreibesitzer aber wollte Monty aus Gründen der Hygiene nicht in seinem Café sehen.

 

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Bis hierher und nicht weiter: Anette Lürding und ihr Blindenführhund Monty sind ausgesperrt, der Cafébetreiber verweigert dem Hund den Einlass. (Foto: nic)

 

Er forderte Lürding auf, sie solle das Tier vor dem Geschäft anbinden. »Ein Unding« findet der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband, und auch beim Wetteraukreis wunderte man sich über dieses »Hausverbot«.

 

Lürding war in Begleitung einer Freundin, gemeinsam wollten sie eine Schülerin der Friedberger Blindenschule besuchen, die in der Konditorei ihr Praktikum absolviert. Doch sie kam nicht weit. Kaum hatten die Drei das Geschäft betreten, bekamen sie zu hören, Hunde seien hier nicht erlaubt. Zwar versuchte Lürding dem Besitzer zu erklären, dass es sich bei Monty nicht um ein normales Haustier, sondern um einen Blindenführhund handelt. Der gilt laut Gesetz als »Hilfsmittel«, man kann ihn daher nicht so einfach aussperren. Doch sie biss auf Granit. »Der Besitzer war völlig uneinsichtig. Ich bin, ob ich mit einer Freundin unterwegs bin oder alleine, auf den Hund angewiesen. Den bindet man nicht einfach so vor einem Geschäft an«, sagt Lürding. Ihr Blindenführhund hat eine umfangreiche Ausbildung genossen, die Krankenkasse hat dafür rund 25 000 Euro bezahlt. Aus dem Café-Besuch wurde nichts.

 

Robert Böhm, Sprecher des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes in Berlin, kennt solche Probleme. »Das kommt leider immer noch sehr oft vor«, sagt er. Die Gesetzeslage sei nicht eindeutig, die Lebensmittelhygienevorschriften besagten aber, dass man einen Blindenhund nicht unter Angaben hygienischer Gründe aus einem Lebensmittelgeschäft verweisen dürfe. Vorausgesetzt, der Hund ist im Führgeschirr oder an der Leine, was bei Monty der Fall war.

 

»Blindenhunde werden akzeptiert«

 

Der Hund sei Eigentum der Krankenkasse, Hundehalter hätten eine Aufsichtspflicht, erläutert Böhm. Die ist nicht gegeben, wenn das Tier vor dem Geschäft angebunden wird. Selbst wenn der Geschäftsinhaber auf sein Hausrecht poche, gelte: »Laut Behindertenrechtskonvention dürfen Blinde nicht benachteiligt werden. Das ist Diskriminierung.« Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen teilt auf seiner Internetseite mit, dass laut Bundesministerium für Verbraucherschutz »grundsätzlich nichts« dagegen spricht, Blindenführhunde mit in Lebensmittelgeschäfte zu nehmen. Kreispressesprecher Michael Elsaß sieht dies genauso: »Für unsere Hygieneaufsicht ist es akzeptabel, dass Blindenhunde in Metzgereien oder Bäckereien dürfen. Natürlich dürfen sie nicht in die Backstube. In der Regel sind solche Hunde aber sehr gut erzogen und verhalten sich ruhig.«

 

Der Konditormeister will das nicht gelten lassen: »Ich verkaufe Lebensmittel und finde, da sollte man keine Ausnahme machen.« Der Hund könne ja eine Krankheit mit sich tragen; andere Hundebesitzer könnten, wenn sie das Tier im Café sehen, darauf pochen, dass ihnen das auch erlaubt würde. »Zudem habe ich der Frau den Zutritt nicht verwehrt, sondern nur dem Hund. Sie war ja in Begleitung einer Bekannten.« Komme jemand mit Rollstuhl, helfe er gerne. Er habe nichts gegen Behinderte. Das zeige schon die Tatsache, dass er einer sehbehinderten Schülerin einen Praktikumsplatz zur Verfügung stelle.

 

»Natürlich hat er mir den Zutritt verweigert«, kontert Lürding. »Wenn mein Blindenführhund nicht mitkommen kann, bin auch ich ausgesperrt.« Sie fühlt sich diskriminiert. »Mein Hund begleitet mich in alle Lebensmittelgeschäfte und selbst zu Arztbesuchen. Sogar beim Hautarzt darf er mit. Der Fall zeigt einmal mehr: Behindert ist man nicht, man wird durch Mitmenschen behindert.«

 

Erst Wut, dann Traurigkeit

 

Der Blinden- und Sehbehindertenverband will laut seinem Sprecher ein Informationsblatt erarbeiten, um die Geschäftsinhaber besser aufzuklären. »Aber die Inhaber kleinerer Geschäfte erreichen wir oft nicht.« Das könnte der Behindertenbeirat des Wetteraukreises erledigen. Als der Vorsitzende Georg Wegner (Nidda) von dem Fall erfuhr, war er »erst total wütend, und dann ist die Wut einer großen Traurigkeit gewichen«. Wegner kann nicht verstehen, »das es immer noch Menschen gibt, die andere Menschen ausschließen«. Solche Menschen seien es, die tatsächlich »blind« durchs Leben gingen, weil sie die Benachteiligung von Behinderten nicht erkennen wollten. Wegner will den Fall im Behindertenbeirat aufgreifen und mit Veröffentlichungen auf das Problem hinweisen. »Da ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.«

 

Aber es gibt auch andere Beispiele: Bevor Lürding mit ihrem Blindenführhund am Montag die Konditorei aufsuchte, betrat sie versehentlich ein benachbartes Café. »Dort gab es nicht ein einziges ablehnendes Wort.«

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    warum so dringend (Montag, 03 August 2015 16:18)

    es ist wirklich schwer zu akzeptieren, aber muss man denn alles durchsetzen, was gesetz ist und die Bedürfnisse und Belange anderer übergehen, nur weil man denkt diskriminiert zu sein? Ich glaube nicht, dass hier eine Diskriminierung vorlag, als viel mehr die Verletzung einer blinden, die sich nicht durchsetzen konnte.

  • #2

    Tobias Claren (Montag, 16 Mai 2016 14:50)

    Ganz so eindeutig ist das nicht.

    Darf so ein Geschäft Tiere von JEDEM von sich aus erlauben?
    Also ALLE Hunde JEDES Halters?
    Nein?
    Und darf man als nackter Mensch in so einen Laden?
    Nein?
    Man könnte nun also entweder verlangen, dass die Tiere in Kleidung stecken, am Besten so dass nur das Gesicht frei ist (wie diese Einweg-Maler/Tatortermittler...-Overals), oder die Blinden gehen ohne Tier rein.
    Notfalls hilft ein Mensch, übernimmt den Part des Hundes.
    Oder sie tasten sich hinein, mit den Händen und dem Blindenstock. Eine Bäckerrei oder Metzgerei ist kein gefährliches Gelände.
    Und gerade ein so trainierter Hund sollte problemlos beigebracht bekommen können vor einer Türe zu warten.

    Und dann gibt es mittlerweile weitere Hilfmittel, die im Grunde jeder Blinde erlernen kann. Natürlich um so besser um so früher.
    Eine Stirnkamera die leichte "Stromschläge" über eine Folie an die Zunge, oder Audiosignale auf Kopfhörer gibt (es gibt auch Knochenhörer, die drücken hinter den Ohren auf den Schädel, so kann man zugleich noch gut die Umgebung wahrnehmen), und wenn man es am Besten ab der Kindheit lernt (sofern man so lange Blind ist) das "Echolot" durch mit Zungen und Gaumen gemachte Geräusche, deren Reflektion wahrgenommen wird.
    Wie eine Fledermaus.


    Wenn die wollten, könnten die der auch generelles Hausverbot erteilen.
    Dafür brauchen die auch keine Begründung.
    Genau so wie man generell Polizisten, Jobcenter-Sachbearbeitern etc. per Aushang Hausverbot erteilen dürfte.
    Damit dürften genau genommen auch Polizisten in Zivil nicht mehr rein, und wenn sie es doch machen, kann das als Hausfriedensbruch angezeigt werden.
    Theoretisch könnte man so auch jedem mit religiösen Symbolen pauschal Hausverbot erteilen. Wozu auch der Ausruf "Grüß Gott" zählen würde.
    Ist immer die Frage, ab wann man es als Diskriminierung ausgelegt bekommen könnte.
    Z.B. würde ich als fiktiver Arbeitgeber mir auch das Recht nehmen z.B. Gläubige generell abzulehnen, wenn mir danach wäre. Ansonsten müsste ein Arbeitgeber auch einen aktiven Neonazi akzeptieren, wernn der sonst nicht auffällt.
    Und wenn Ich ins Profil schreiben würde "Linksliberaler Mensch gesucht.....", dann haben CDU/CSU, SPD...-Wähler keinen Anspruch auf den Arbeitsplatz.




    Ach ja, wenn Ich einen Supermarkt oder Parkhaus, Tiefgarage... hätte, gäbe es da keine extra Parkplätze für Behinderte oder Frauen oder "Mütter mit Kind". "Eltern mit Kind" wären wenigstens geschlechtslos, halte ich aber auch für überflüssig. Diskriminiert die Kinderlosen... Die auch nicht weniger Wert sind wie die mit Kindern.
    Man kennt ja dieses "Ich bin Vater/Mutter", wenn sich iergendein Tier gegenüber einem Amokläufer etc. als Wertvoller darstellen will.

    Es gibt auch kein Gesetz dass einem das vorschreibt Parkplätze für Behinderte bereit zu stellen. Und wenn es doch so wäre, dann nicht die Parkplätze direkt in Nähe zur Türe.

    Lobbyisten wollen nun auch Restaurants zwingen eine Rampe oder sonstigen Behindertengerechten Zugang bereit zu halten.
    Sollen Sie ruhig damit durchkommen, als gezwungenener Betreiber ist man ja nicht gezwungen sie genau so freundlich zu Begrüßen, verabschieden etc. wie andere Gäste.....
    Ich habe nur ein Problem mit dem ZWANG, nicht den Behinderten.



    Wo Ich bei Behinderten-Lobbyisten wäre, wäre wenn Sie Druck machen, dass selbstfahrende Fahrzeuge keinen Führerschein erfordern.
    Was ja nun wirklich "Krank" wäre. Das würde das Konzept des "Fahrerlosen" Fahrzeug ins paradoxe führen. Ob Schwerstbehindert (kann Hawking theoretisch alleine fahren?!? Mit Sicherheit nicht) oder Blind oder geistig Behindert etc. sie sollten alle alleine (mit)fahren dürfen. Aber genau so der Betrunkene, der, dem wegen Trunkenheit am Steuer der FS abgenommen wurde, oder auch einfach das Kind oder sogar ein Hund etc. alleine.
    Nicht zu vergessen die Autos ganz ohne Mensch im Inneren.
    Schließlich müssen per App bestellte Car-Sharing-Autos auch alleine zum Kunden kommen. Auch Kunden, die keinen FS haben.