Gesicherter zutritt bei Penny, Lidl und Netto

Bert Bohla: Der Mann, der tierisch nervt

Dank Lichtblicke e.V. und Hypo-Hund e.V. (und ROLLINGPLANET) zeigen sich seit einigen Monaten die Supermarkt-Konzerne Penny, Lidl und Netto sensibler für das Thema blinde Kunden und Assistenzhunde. Von Lothar Epe

ROLLINGPLANET hat am eigenen Leib erfahren, wie sehr ein Behinderter nerven kann: Ungefähr zwanzig Mal hat Bert Bohla in unserer Redaktion angerufen und sich nicht abwimmeln lassen von unserem Hinweis, dass wir das Thema Blindenführhunde „spannend“ finden, es aber nicht sofort, jedoch „bestimmt irgendwann“ bringen. Das, was man eben so sagt, wenn man gerade mit anderen Dingen aus der langen To-Do-Liste der UN-Behindertenrechtskonvention beschäftigt ist und am liebsten seine Ruhe hat.

Irgendwann hat ROLLINGPLANET erkannt, dass es für unsere Ruhe wohl besser ist, wenn wir den guten Mann nicht mehr abwimmeln, sondern genauer hinhören. Ein Aha-Erlebnis, das die Presseabteilungen von vielen Firmen und Supermarkt-Ketten kennen – die Bert Bohla nicht in Ruhe lässt, bis sie sein Anliegen ernst nehmen. Es dürfte wohl kaum einen blinden Menschen in Deutschland geben, der so hartnäckig am Knochen bleibt wie Bohla, wenn es um das Thema Blindenführhunde geht.

Penny reagierte als erster

Penny drehte nach dem ROLLINGPLANET-Artikel total auf.

Der 51-Jährige ist Vorsitzender des Vereins Lichtblicke zur Förderung des Blindenführhundwesens. In Deutschland gibt es zirka 3.000 blinde Menschen, die einen Führhund haben. Im August 2012, nach Bohlas vermutlich fünfundzwanzigstem Anruf, war es soweit: ROLLINGPLANET entschloss sich, gemeinsam mit Lichtblicke e.V. eine Aufklärungskampagne zu starten, damit Betroffene mit ihren Assistenztieren von anderen Kunden und Mitarbeitern von Supermärkten nicht mehr diskriminiert und hinausgeworfen werden, sondern – wie es die Lebensmittelhygieneverordnung ausdrücklich vorschreibt – willkommen zu heißen.

Zu diesem Zweck dokumentierte ROLLINGPLANET die haarsträubendsten Fälle aus dem Alltag von Lichtblicke-Vereinsmitgliedern. Unser Bericht Supermärkte schikanieren Blinde: In was für einem Billigland leben wir? brachte die Dinge ins Rollen: Nur wenige Stunden nach unserer Veröffentlichung reagierte Penny (eine Tochtergesellschaft von Rewe) – und veröffentlichte als erster deutscher Lebensmitteldiscounter einen diesbezüglich eindeutigen Hinweis auf seiner Homepage, den blinde Menschen seit Jahren forderten:

Was tut PENNY für Menschen mit Handicap?

PENNY legt großen Wert darauf, Menschen mit Handicap in ihrem Grund- und Menschenrecht zu unterstützen, ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Dazu zählt auch der Einkauf von Lebensmitteln.

Aus diesem Grund sind nachweislich als Führ- und/oder Rehabilitationshunde ausgebildete Tiere in allen PENNY Märkten erlaubt. Diese Tiere gelten im Sinne des Gesetzgebers und der Kontrollbehörden nicht als Haustiere, sondern als Hilfsmittel.

Um Missverständnissen vorzubeugen bitten wir Kunden, die auf einen Führ- oder Rehabilitationshund angewiesen sind, darum – falls sie nicht im Markt bekannt sind – einen Mitarbeiter kurz darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Führ- bzw. Rehabilitationshund handelt.

Der ROLLINGPLANET-Erfolg machte Mut

Eine Initialzündung, die Bohla nutzte, bei anderen Konzernen Rechte anzumahnen und weitere Medien als Multiplikatoren zu gewinnen. Im Dezember testeten Lichtblicke e. V. und Hypo-Hund e.V. (spezialisiert auf Anzeigehunde für Menschen mit Diabetes) den Einkaufsalltag in Hamburg – gemeinsam mit Sat.1. Mit versteckter Kamera begleitete der Sender zwei Gespanne – Mensch und Wauwau – beim Shopping in der Hansestadt. „In vielen Fällen wurden die Assistenzhunde mit ihren Haltern auch akzeptiert“, so Bohla.

Laut Bohla gab es aber auch Einzelhändler, die an ihrer schier unermesslichen Großzügigkeit Gefallen fanden. „Ein Einzelhändler war sogar bereit, eine gnädige Ausnahme zu machen und die junge Frau mit ihrer Führhündin in seinen Laden zu lassen. Dass es sich dabei nicht um eine Ausnahme, sondern um eine Selbstverständlichkeit handeln sollte, wollte oder konnte der Einzelhändler nicht nachvollziehen.“

Rauswurf per Sicherheitspersonal

Bert Bohla und Felix Müller, der von Lidl rausgeworfen wurde (Foto: privat)

Bert Bohla und Felix Müller, der von Lidl rausgeworfen wurde (Foto: privat)

Jedoch sei es wie erwartet auch zu Rauswürfen gekommen: „In einer Lidl-Filiale ließ der Filialleiter die Testperson Felix Müller von Hypo-Hund e. V. mit seiner Hündin Bella vom Sicherheitspersonal vor die Tür setzen wie einen lästigen Störenfried“.

Aufgrund solcher Vorfälle hakten beide Selbsthilfe-Organisationen nach. Nach wochenlanger Kommunikation versprachen die Konzerne zunächst Schulungen ihrer Mitarbeiter. Die Vereine gaben sich damit allerdings nicht zufrieden, ließen nicht locker und beharrten hartnäckig auf öffentlich eindeutige Zusagen, die Helfer auf vier Pfoten zu akzeptieren – unmissverständlich, wie es Penny nach dem ROLLINGPLANET-Artikel getan hatte.

Bohla & Co. waren erfolgreich. Seit kurzem garantiert nun auch Lidl auf seiner Webseite:

“Wir legen großen Wert darauf, Menschen mit einem Handicap zu unterstützen. Kunden, die auf einen Assistenz- oder Blindenführhund angewiesen sind, dürfen gekennzeichnete und nachweislich ausgebildete Tiere selbstverständlich in alle Filialen mitnehmen.”

Netto – das noch im Herbst einen solchen Vorstoß ablehnte – betont nun ebenfalls auf seiner Serviceseite:

„Als Nahversorger legen wir großen Wert darauf, allen Kunden ein optimales Einkaufserlebnis zu bieten. Da viele Menschen mit Behinderung bei ihren täglichen Erledigungen auf die Unterstützung von ausgebildeten Führ- bzw. Rehabilitationshunden angewiesen sind, ist die Mitnahme dieser Tiere in unsere Filialen grundsätzlich erlaubt.”

Unsere Mitarbeiter sind darin geschult, Kunden mit Handicap beim Einkauf behilflich zu sein und die Mitnahme der Spezialhunde zu genehmigen. Sollte es in Einzelfällen zu Rückfragen kommen, bitten wir Kunden unsere Filial-Mitarbeiter darüber zu informieren, dass es sich bei den mitgeführten Hunden um ausgewiesene Führ- bzw. Rehabilitationshunde handelt.“

Immer noch ein weiter Weg

Auch ROLLINGPLANET hatte Netto in verschiedenen sogenannten “Off-the-records”-Telefonaten, bei denen die Details vertraulich bleiben, einen solchen Passus empfohlen. Bohla freut sich: „Der Dialog hat geholfen. Und diese drei großen Discounter würden solche Absätze todsicher nicht auf ihren Websites bringen, wenn es nach der Lebensmittelhygieneverordnung nicht zulässig wäre. Die übliche Argumentation mit der Hygiene als Rechtfertigung für eine Diskriminierung ist damit dann selbstverständlich auch beim Metzger oder Bäcker vom Tisch“.

Bis zu einer gesetzlich durchgreifenden und umfassenden Verankerung, so dass wirklich alle Discounter und Geschäfte sich an die Vorschriften halten, sei es aber noch einer weiter Weg, betont Bohla. Für ROLLINGPLANET bedeutet das nichts Gutes: Auch in Zukunft wird es pausenlos bei uns klingeln, und wir werden uns mit der inzwischen üblichen Begrüßung melden: Na, Bert, willst Du uns mal wieder tierisch nerven?

Webseiten:
www.verein-lichtblicke.de
www.hypo-hund.eu

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