Immer einen Schritt voraus

Stiftung in Köpenick bildet Blindenführhunde mit Hilfe von Patenfamilien aus Von Petra Götze Aufmerksam betrachtet Portis den Fotografen, der sich vor ihm ins Gras legt, um einen guten Aufnahmewinkel zu bekommen. Der Golden Retriever lässt sich weder durch das Blitzlicht, noch durch das Klicken der Kamera aus der Ruhe bringen, sondern bleibt ruhig neben Karina Wuttke sitzen. Die 37-jährige ist von Geburt an blind. Seit 2009 ist Portis, ein ausgebildeter Blindenführhund, stets an ihrer Seite. "Wir sind ein eingespieltes Team", sagt die Zehlendorferin und lässt ihre Hand in Portis flauschig weichem Fell versinken, während sie aufzählt, was er alles kann: auf Kommando Zebrastreifen, Ampelmasten und Türen suchen, Treppen anzeigen und sogar einen freien Platz im Bus oder in der U-Bahn finden. Karina Wuttke geht an seinen Hinterläufen und spürt sofort, wenn Portis stehen bleibt oder sich die Vorderpfoten heben oder senken. "Er ist mir immer ein Schritt voraus", sagt sie, "und er kann rechts und links unterscheiden." Karina Wuttke arbeitet als Pressesprecherin für die Stiftung Deutsche Schule für Blindenführhunde in Köpenick. Die nicht-kommerzielle Hundeschule züchtet Labrador-Retriever und bildet sie als Führhunde für Blinde und Sehbehinderte aus. "Labrador-Retriever sind robust, gutmütig und freundlich. Die nehmen es auch nicht übel, wenn man ihnen mal aus Versehen auf die Pfoten tritt", sagt Marko Fiedler, Geschäftsführer der Stiftung, die gegründet wurde, um die Berliner Führhundeschule der DDR weiterzuführen. Stiftungsziel ist die sorgfältige und gewaltfreie Ausbildung der Hunde, die bis zu einem Jahr dauern kann. Zehn Wochen nach der Geburt kommen die Welpen in Patenfamilien, die für die Sozialisierung der jungen Hunde sorgen und in denen sie erste Erfahrungen mit Menschen, anderen Hunden und dem Großstadtleben sammeln können. Die Stiftung übernimmt dafür die Kosten für Futter, Tierarzt und Haftpflichtversicherung. Anschließend wird der Gesundheitszustand der Tiere untersucht, die Hunde werden komplett durchgecheckt: Hüfte, Herz, Gelenke, Augen - ein Blindenführhund muss topfit sein. "Wenn ein Hund nicht den Anforderungen entspricht, suchen wir eine Familie für ihn", sagt Mario Fiedler. Qualifizierte Hundetrainer nehmen die geeigneten Tiere dann für die nächsten Monate mit nach Hause. Bei der Ausbildung muss der Trainer wie ein Blinder denken. Der Führhund lernt Hindernisse zu erkennen - auch solche in Kopfhöhe des Menschen - und entsprechend darauf zu reagieren. Dazu lernt er etwa 30 Hörzeichen, mit denen gelenkt werden kann. Am Ende der Ausbildung steht die Blindenhundeprüfung. Sein zukünftiger Halter wird in mehrwöchigen Einführungslehrgängen auf das Leben mit einem Hund vorbereitet. "Manche stellen fest, dass es sie überfordert, sich um ein Tier zu kümmern", sagt Mario Fiedler. Wer sich für den Hund entscheidet, zieht nach drei Tagen gegenseitigen "Beschnupperns" mit ihm für zehn bis 14 Tage in eine kleine Pension in der Nähe der Blindenführhunde-Schule und erkundet gemeinsam mit dem Trainer erste kleine Wege, den Fütterungsrythmus und die Vorlieben des Hundes. Im Gegensatz zu kommerziellen Blindenhundeschulen werden die Hunde nicht verkauft sondern bleiben Eigentum der Stiftung. Die Krankenkassen tragen Zweidrittel der Kosten in Höhe von 35.000 Euro, die in monatlichen Raten gezahlt werden, so lange der Hund arbeitet. "Dieses System hat sich bewährt, so ist auch die Kontrolle gewährleistet", sagt Mario Fiedler, denn Hund und Halter werden von den Trainern regelmäßig aufgesucht. Diese lebenslange Begleitung und der Ruhestand für die Blindenführhunde mit zwölf Jahren werden durch Spenden finanziert Während der Arbeit trägt der Blindenhund ein Führhundegeschirr, mit dem ihm überall Zutritt gewährt werden muss. Das Geschirr signalisiert Autofahrern zu halten und der Umwelt, den Hund nicht abzulenken oder zu streicheln. "Die Leute fragen oft: der arme Hund, darf der denn auch spielen?", berichtet Karina Wuttke. Natürlich darf der sieben Jahre alte Golden Retriever auch im Park herumtollen und Faulenzen wie jeder andere Hund. "Portis kuschelt gern", sagt die 37-jährige. "Und er hilft mir Kontakte zu knüpfen. Blinden mit Gehstock wird oft ausgewichen, aber wenn der Hund mal stehen bleibt, weil er nicht weiter weiß, sind die Menschen gern bereit zu helfen."

 

http://www.morgenpost.de/printarchiv/familie/article128578573/Immer-einen-Schritt-voraus.html

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